Beschreibung
Thomas Gatzemeier – Der Sekretär
Thomas Gatzemeiers Roman „Der Sekretär“ beleuchtet die Verstrickungen von DDR-Funktionären mit der NS-Zeit. Eindringlich und fundiert recherchiert, erzählt das Buch ein halbes Jahrhundert deutscher Geschichte. Im Mittelpunkt steht das Leben eines Mannes, dessen Lebensweg vom Spannungsfeld zwischen Anpassung und Eigenständigkeit geprägt ist. Dieser Mann, unsicher in seinen eigenen Wünschen, wählt den vermeintlich leichteren Weg und tut, was von ihm erwartet wird – sei es im Nationalsozialismus oder in der DDR.
Die Geschichte ist eine Tragikomödie über einen Karrieristen, der stets danach strebt, „den Kopf oben zu behalten“. Doch gerade diese Haltung führt letztlich zu seinem Scheitern. Als jemand, der sich dem Strom anpasst, wird er dennoch mitgerissen und geht schließlich unter.
Ihm entgegen schwimmen, hocherhobenen langhaarigen Hauptes, einige Unangepasste der 70er Jahre DDR-Jugendszene. Ihnen ist die freudlose kleinbürgerliche Erbärmlichkeit und Enge, die sich hinter den bunt bemalten Transparente und Wimpeln des real existierenden Sozialismus verbirgt, zutiefst zuwider. Statt dem verordneten Fröhlich sein und singen – der Zukunft zugewandt – All along the Watchtower: Jimi Hendrix hat auch östlich der Elbe sein Werk getan!
In dichten, eindringlichen Bildern schildert der Autor Thomas Gatzemeier, wie ein junger Mann bei der SS Karriere macht. Jedoch nicht nur dies. Außerdem wird in diesem Roman beschrieben, wie sich der junge Mann auf die Seite der Gewinner schlägt. Allerdings werden dabei die Mythen über den antifaschistischen Staat der DDR brutal relativiert. Denn der Staat der DDR war eine, wenn auch anders zu bewertende, Fortführung der Diktatur. Freilich wird dies bis zum heutigen Tag verdrängt und eine wirkliche Aufarbeitung hat nie stattgefunden. Folgerichtig, so möchte man behaupten, hält sich gerade auf dem Gebiet des ehemaligen realsozialistischen Landes ein Bodensatz des nationalen und nationalsozialistischen Denkens.
Rezensionen zu Thomas Gatzemeier – Der Sekretär – Roman:
Badische Zeitung Freiburg
Weitere Publikationen von und über Thomas Gatzemeier finden Sie in der Rubrik „Bücher und Kataloge“
Thomas Gatzemeier: Der Sekretär
Ein Roman über Verdrängung, Verstrickung und die Nachwirkungen der Geschichte.
Thomas Gatzemeiers Roman „Der Sekretär“ beleuchtet ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte: die Verstrickungen von DDR-Funktionären mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit und die daraus resultierenden Nachwirkungen auf die Gesellschaft bis in die Gegenwart. Das Werk bietet eine kritische Auseinandersetzung mit der DDR, deren offizielles Selbstbild als „antifaschistischer Staat“ oft im Widerspruch zur Realität stand. Es zeigt, wie unaufgearbeitete Biografien aus der Zeit des Nationalsozialismus die Karrieren vieler DDR-Funktionäre prägten und wie diese Verdrängung der Vergangenheit nicht nur das politische Klima der DDR beeinflusste, sondern auch langfristige Folgen für die gesellschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland hatte.
DDR und die verdrängte Vergangenheit des Nationalsozialismus
Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich die DDR, sich als moralisches Gegenbild zum „faschistischen“ Westen zu inszenieren. Diese Staatsdoktrin des Antifaschismus diente dazu, die DDR von der NS-Vergangenheit abzugrenzen. Doch in der Praxis blieb diese Ideologie oft Fassade: Viele ehemalige Nationalsozialisten fanden nach 1945 Anstellung in staatlichen Positionen der DDR, häufig geschützt durch die Verleugnung oder Vertuschung ihrer Vergangenheit.
Gatzemeier zeigt in „Der Sekretär“ auf, wie diese Verdrängung funktionierte: Statt einer offenen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit pflegte die DDR eine Kultur der Doppelmoral. Führende Funktionäre mit zwielichtiger Vergangenheit schufen sich durch Anpassung und Loyalität gegenüber dem sozialistischen System neue Karrieren. Der Roman porträtiert einen solchen Karrieristen, dessen Lebensweg exemplarisch für viele DDR-Biografien steht. Dieser Mann, gefangen zwischen Opportunismus und Anpassung, ist ein Symbol für eine Gesellschaft, die nach außen antifaschistisch auftritt, während sie intern die eigene Vergangenheit verdrängt.
Die Tragweite der Verdrängung.
Durch seine Figuren legt der Roman die Widersprüche und die Heuchelei der DDR offen. Einerseits predigte der Staat die Überlegenheit des Sozialismus, andererseits bedienten sich viele Genossen derselben Karrieremechanismen, die sie dem „faschistischen Westen“ vorwarfen. Die verdrängte Vergangenheit führte dazu, dass in der DDR keine tiefgehende Entnazifizierung stattfand. Dieser Mangel an Aufarbeitung hinderte die Gesellschaft daran, sich kritisch mit Themen wie Schuld, Verantwortung und historischer Kontinuität auseinanderzusetzen.
Diese unaufgearbeiteten Konflikte blieben auch nach der Wiedervereinigung bestehen. Die DDR-Bürger, die in einem System lebten, das Widersprüche leugnete und unangenehme Wahrheiten verdrängte, wurden in der neuen Bundesrepublik oft mit einer Realität konfrontiert, die sie nicht vorbereitet hatte.
Rechtsextremismus und historische Kontinuitäten.
Gatzemeiers Roman leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der heutigen rechtsextremen Tendenzen in Ostdeutschland. Die fehlende Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit in der DDR hinterließ ein Vakuum, das bis heute spürbar ist. Nach der Wende bot dieses Vakuum Nährboden für populistische und rechtsextreme Bewegungen, die sich historischer Mythen und verzerrter Erzählungen bedienen, um Unterstützung zu gewinnen.
Die Frustration vieler ehemaliger DDR-Bürger über die wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche nach 1990, gepaart mit dem jahrzehntelangen Fehlen einer kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, hat dazu beigetragen, dass rechtsextreme Ideologien in einigen Teilen Ostdeutschlands auf Resonanz stoßen. Der Roman „Der Sekretär“ verdeutlicht, wie das Erbe von Verdrängung und Anpassung bis in die Gegenwart reicht.
Eine Tragikomödie des Opportunismus.
Neben der historischen Analyse bietet „Der Sekretär“ auch eine tief menschliche Erzählung. Der Protagonist, ein Mann, der stets „den Kopf oben behalten“ will, verliert am Ende genau deshalb alles. In seinem Bemühen, sich anzupassen und den Erwartungen anderer gerecht zu werden, wird er zum Spielball der Systeme. Gatzemeier schildert mit scharfem Blick und feinem Humor, wie dieser Opportunismus nicht nur die Hauptfigur, sondern auch die Gesellschaft prägt.
Ein Weckruf zur Vergangenheitsbewältigung.
Thomas Gatzemeiers „Der Sekretär“ ist mehr als ein Roman – es ist ein Weckruf. Es fordert dazu auf, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, um die Gegenwart besser zu verstehen und die Zukunft zu gestalten. Der Roman ist eine eindringliche Erinnerung daran, dass Verdrängung niemals eine Lösung ist. Nur durch eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Geschichte können die Wunden der Vergangenheit heilen und die Herausforderungen der Gegenwart bewältigt werden.
Gatzemeiers Werk leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über Rechtsextremismus, historische Verantwortung und die Bedeutung der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland.
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